21 | 11 | 2024
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Große Drückjagd 2012 auf dem Thomashof


Fast 100 Leute sind früh am Morgen des 23.11.2012 auf dem Forststützpunkt Thomashof zur Drückjagd angetreten
Fotos: Samuel Degen. Zur Fotogalerie hier klicken


Revierförster Bernd Struck zeigt ein Kreuz, das an den am 20.03.1918 hier tödlich verunglückten Franz Hettler
aus Stupferich erinnert.


40 Treiber durchkämmen den Rittnertwald zwischen Rittnert- und Thomashof


Das STUPFERICH.ORG TV Video: Kamera und Bericht: Samuel Degen / Schnitt und Bearbeitung: Siegfried Becker
Zum Betrachten des Videos auf den Pfeil in der Bildmitte klicken.
In HD verfügbar. Erst Film starten und dann unten rechts aufs "Zahnrad" klicken und 720p wählen.

Der Dieter aus Stupferich lacht verschmitzt bei seiner Bemerkung "Eine Milliarde Vegetarier in Indien können doch nicht irren?" - hatte sich aber trotzdem als Treiber für die diesjährige große Drückjagd auf Schwarz- und Rehwild auf dem Thomashof angemeldet. Auch mich hatte im Vorfeld die Neugier gepackt, so dass ich spontan die mir angebotene Möglichkeit nutzte, ebenso erstmals und mit Genehmigung der Leitung, nur mit meinen Kameras bewaffnet an so einer Jagd teilzunehmen.

Es ist noch früh am Freitagmorgen, doch am Forststützpunkt auf dem Thomashof herrscht bereits rege Betriebsamkeit. Gut 50 Schützen, die alle vorab nochmals in einem Schießkino geübt hatten, 40 mutige Treiber und 20 taugliche Jagdhunde haben sich passend bekleidet versammelt, ja richtig, sogar die Hunde haben ein orangenes Halsband mit dick per Edding aufgeschriebener Handynummer des Besitzers.

Alles ist bestens organisiert - es gibt heißen Tee, Mineralwasser und Apfelsaft und eine Kiste mit frischen Brezeln steht ebenfalls bereit. Die Anweisungen bei den Ansprachen des Jagdleiters für Jäger und Treiber sind klar und unmissverständlich. Von den Jagdleitern freigegeben wird vor allem das stark zu Schaden gehende Schwarzwild, Rehwild außer Rehböcke (die haben Schonzeit) und Füchse.

Großen Wert wird auf die Sicherheit gelegt. So ist es unabdingbar, dass alle Jäger und wir Treiber zusätzlich zum roten Hutband mit bunten Jacken in Signalfarben ausgerüstet sind. So dominiert an diesem Novembermorgen eindeutig die Farbe Rot das sonst gewohnte Jägergrün. Feste Handschuhe sind für uns Treiber zusätzlich Pflicht, solche werden gleich noch vor Ort verliehen. Die Straße zwischen Stupferich und Durlach ist nun den ganzen Vormittag über komplett gesperrt, Unfälle durch querendes Wild sollen keine passieren.

Die Hörner erklingen, es wird endlich zur Jagd geblasen. Die auf die Hochsitze im Revier von Revierförster Bernd Struck, der hier offensichtlich jeden Baum persönlich kennt, eingeteilten Jäger rücken als erste aus, auf Strohballen sitzend in offenen Anhängern. Die Stöberhunde, Wachtelhunde sind klar in der Mehrzahl, sind unruhig,  sie wollen endlich los. Auch wir Treiber müssen noch etwas warten, alle Jäger müssen auf ihren Hochsitzen sein, bevor wir lärmend in den Wald dringen dürfen.

Nun stellen wir uns in einer Reihe nebeneinander auf, gleich gegenüber dem Forststützpunkt in Marschrichtung Durlach. Der Abstand zum Nachbartreiber beträgt 10 Meter, so dass die Kolonne in einem breiten Streifen den Wald durchkämmt. "Nicht ausweichen, sondern immer geradeaus", eine klare Anweisung von Treiberführer Struck noch kurz vor dem Abmarsch macht klar, was nun auf jeden von uns zukommt.

Es geht los, das Tempo ist recht hoch. Mit lautem „Hussassassa“ und „Hopphopphopp“ sind wir nun in den teils sehr steilen und überaus dornigen Flächen unterwegs. Eine schwere und trotz des kalten Wetters richtig schweißtreibende Arbeit über Stock und Stein.

Die ersten Schüsse fallen und unsere Rufe und das Gebell der Hunde verlieren sich im dichten Unterholz. Dieter macht seine Ankündigung vom Morgen, sich gleich nach dem ersten Schuss flach auf den Boden zu legen, dann doch nicht wahr und drängt unbeirrt weiter. Geht doch.

"Sau auf 2 Uhr voraus", der laute Ruf meines Nachbarmannes lenkt sofort den Blick nach rechts vorne - ich reiße die Videocam hoch. Von wegen, die rasende Wildsau flieht nicht vor uns Treibern, sondern kommt geradewegs auf uns zu und durchbricht unsere Reihe mit einer Geschwindigkeit, die ich so einem massigen Tier niemals zugetraut hätte. Wer der im Wege steht hat wohl schlechte Karten... Meine Aufnahme ist dann zwar verwackelt, aber immerhin ist die pechschwarze Rittnertsau klar darauf zu sehen.

Wenige Minuten später liegt direkt vor mir ein großes, sicherlich 80 kg schweres Wildschwein regungslos auf dem Boden. Vorsichtig nähere ich mich dem Wild, ja, es wurde erlegt. Genau über die Schulter ins Herz getroffen war es wohl sofort tot, was in der Jägersprache sicherlich sauberer Blattschuss heißt. Struck eilt herbei, um dieses und ein nur 10 Meter entfernt liegendes weiteres Wildschwein mit zwei Kameraden in einer echten Kraftanstrengung keuchend runter zum nächsten Waldweg zu ziehen. Schütze war ein ehemaliger Ausbilder von Förster Struck im Forststudium und so freut der sich richtig über den Jagderfolg seines nun schon pensionierten Lehrmeisters. Struck meint, dass selten im Rittnert ein so kapitaler Eber erlegt wurde.

Fast schon unten am Rittnerthof ruft mich Förster Struck zu sich. Er zeigt mir ein Steinkreuz mitten im Wald, das an den am 20.03.1918 hier tödlich verunglückten Franz Hettler aus Stupferich erinnert. Ja, die Arbeit bei der Jagd und im Holz hier in den Wäldern war nie ohne Gefahr.

Unten am Rittnerthof angekommen gibt es auch keine Schonzeit für uns Treiber - das Ganze geht ohne Pause nur um 500 Meter Richtung Rittnertstraße versetzt den Berg wieder hinauf zurück zum Thomashof. Zeitweise komme ich fast an meine Grenzen, stürze sogar ab und an, auch weil ich ständig auf die Displays meiner Foto- und Videokameras und weniger auf den sehr unebenen Waldboden schaue. Auch bin ich der einzige Treiber, der keinen Stock bei sich trägt, um die Hände frei zu haben. Und das Gelände im Rittnertwald hat es so richtig in sich. Aber ob bei dem Wumms einer aufgebrachten Sau so ein Stöcklein zur Wehr taugt halte ich eh für abwegig.

Doch alles geht gut, um die Mittagszeit erklingt in der Ferne ein Jagdhorn, die Jagd ist zu Ende, wir marschieren zum Forststützpunkt zurück.

Anhänger um Anhänger wird nun das erlegte Wild herbei gefahren. Es wird fachmännisch gleich vor Ort ausgenommen, der Chef des Landkreis Veterinäramtes, Herr Dr. Thierer, ist persönlich anwesend, um allen erlegten Tieren, die bereits draußen im Wald mit unverwechselbaren Ohrmarken gekennzeichnet wurden, Blut-, die Jäger nennen das Schweiß, und Gewebeproben zu entnehmen, um das Fleisch später freigeben zu können.

Unklare Schüsse werden von den Jägern akribisch genau der Jagdleitung gemeldet und dann wird sofort mit ausgebildeten Nachsuchehunden dorthin gefahren.

Wenn ich richtig gezählt habe, sind es 17 Wildschweine, 13 Rehe und 3 Füchse, die an diesem Vormittag geschossen werden. Alles geht ganz ruhig und sachlich zu. Das Wichtigste für Forstdirektor Ulrich Kienzler ist nun, dass sich die wochenlange Vorarbeit gelohnt hat und vor allem alle Beteiligten sich wohlbehalten um die nun lodernden Feuer versammeln können.

Nach dem "Verblasen der bunten Strecke" durch das Quartett der Jagdhörner mit verschiedenen Melodien zu jeder erlegten Wildgattung und dem Überreichen der "Schützenbrüche" durch Herrn Kienzler an die erfolgreichen Jäger geht die Jagd dann zum "Schüsseltreiben" im Stupericher Gasthaus zum Goldenen Lamm über, wo auch ich meine 10,- Euro Treiberlohn sofort in ein herzhaftes Gulasch umsetze.

Welch ein eindrucksvolles Erlebnis, modern geplant aber durchgeführt nach den alten Bräuchen der Jäger, die seit Jahrtausenden unsere heimischen Wälder durchstreifen. Und sogar der Indien-Dieter freut sich nun auf einen deftigen Wildschweinbraten aus dem Rittnert zu Weihnachten, geschmacklich fernab der Wässrigkeit von billigst mit Fischmehl und Antibiotika hochgepäppelten Fleisches aus der Massentierhaltung von 50 Mio Schweinen jährlich in Deutschland.

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